Von Beirut nach Damaskus, Amman, Jericho und Jerusalem

Poststempel Jerusalem 26.3.1955
Amman, Jordanien, 23.3.55

Liebste Mimi!
Hier in der Hauptstadt Transjordaniens werden die Vorbereitungen für die Hochzeit des jungen Königs [getroffen]. Ich sitze im Wagen im Park des königl. Palastes u. Max ist mit seiner Zeitungsmappe (seine Fotos, Du erinnerst Dich) [unterwegs], macht einen Besuch im Königspalast. Er kommt zurück – morgen um 9h vorm. Audienz beim Haushofmeister. Was dabei herauskommt, weiß man noch nicht. – Die Fahrt von Beirut nach Damaskus hätte ich Dir wiederum sehr gegönnt. Nach 1 Woche Regen verließen wir Beirut bei strahlendem Wetter u. seitdem fast wolkenloser Himmel. 30° im Schatten, aber in der Nacht sinkt die Temperatur, vor allem in der Wüste, besser in der Steppe, auf 6°, sodaß wir ab 4h früh immer zu kalt haben. Max kühlt auch aus wie ich. Beirut hab ich, glaub ich, schon beschrieben. Eine interessante Hafenstadt mit entsetzlich viel Autos, vor allem Taxis. Ich glaube nicht, dass sich eine Stadt auf der Welt mit verhältnismäßig soviel Autos findet. Im Vergleich: 1 Fahrrad bei uns = 1 Auto in Beirut. Und was für Autos! Die tollsten Luxuslimousinen, auch die Taxis. Wir lernten einen sehr gescheiten u. vor allem tüchtigen Ost-Tiroler (Flatscher) kennen, der Direktor des „Capitol-Hotels“ in Beirut ist. Er spricht 7 Sprachen. (Seine Frau ist aus dem Zillertal.) Das Hotel Europa in Ibk ist gegen Capitol ein kleines Haus. Gebaut wird unglaublich viel. Alles seit die Franzosen weg sind (1946). Am schönsten ist das Hinterland der Stadt. Man geht im Meer baden u. kaum in 1½ Stunden skifahren. Im Libanon. Diesen mußten wir nach Damaskus überqueren. Eine herrliche Landschaft. Das Meer u. die weißen Berge. – Den Generalkonsul Ch. Abela hab ich übrigens gezeichnet, aber er hatte wenig Zeit. ½h. Vor der Grenze (syrisch.)
ist eine besond. wunderschöne Landschaft.

Auf 2 Hügeln baut sich ein großes Dorf (in hellem Ocker + Weiß) [auf] u. dahinter der blaue Libanon mit weißen Spitzen. Fantastisch. Und die bunt- gekleideten Araber. Alle sehr freundlich u. schön. Temperatur 40°! abds 6-7° sehr kühl
Damaskus ist eine interessante Stadt. Vor allem die herrliche Moschee der Omayaden mit dem Grabmal Johannes d. Täufers. Dann die Soleimanmoschee, ein Spiel aus schwarz, weiß u. ocker (orange). Das Schwarz geht ins Gräuliche. Aber am herrlichsten u. den Eindruck 1000 + 1 Nacht am besten wiedergebend ist der Azem-Palast. Doch davon wieder mündlich, es würde zu lange werden.
– Gebaut wird wiederum sehr, sehr viel. Sehr solid, Steine hat man ja genug, u. sehr prunkvoll. Die Arbeitskraft ist billig. Man müsste in jeder dieser Stadt mindestens 1 Woche, besser 1 Monat bleiben können, um alles aufzunehmen. – Hinter Damas beginnt die Steppe oder teilweise die Wüste. Die Straße – Asphalt – führt fast gerade durch. Arme Dörfer hie u. da. Eins besuchten wir, weil man uns erklärte, mitten drin seien alte Tempel. Es war auch so. Ganze Teile dieses alten römischen Tempels werden zum „Haus“-bau der kleinen Araberhütten verwendet. Ist auch gut so. Bei uns würde allein so ein Teil als Kostbarkeit behütet u. aufgestellt werden. Wir übernachteten in einem arab. Dorf – schiach + armselig – (seit Ankara schlafen wir nur mehr im Auto), u. am nächsten Tag erreichen wir schon vorm. Amman, die Hauptstadt Jordaniens. Diese Stadt ist erst in den letzten 5 Jahren entstanden, aber wie schnell gewachsen! Bietet nichts Sehenswertes. – Und jetzt schreibe ich schon von Jerusalem aus. Die 1. Nacht verbrachten wir bereits – Max liegt noch im Auto, u. ich schreibe stehend vor d. Auto in der Sonne. Die Fahrt hierher war fantastisch. Darüber möchte [ich] Dir einen eigenen Brief schreiben. Man überquert ein Gebirge – Schluchten, Karst – unterschreitet die Meereshöhe, die Luft wird schwer u. sehr drückend, bleiern, weiße Sandberge erheben sich gespenstisch – das Tote Meer wird sichtbar. Eine wirklich biblische Landschaft. Jericho. Ein Palmen- u. Bananenwald inmitten dieser weißen Hügel. Wir fahren um das Meer, tauchen die Hand ein, in 5 Minuten ist die Hand weiß vor Salz. Im Hintergrund kahle Berge – darüber ein Gewitter mit Blitzen u. ca. 1000 m vor uns überquert ein Sandsturm, der 1., den ich, von weitem, sehe, rast über die Gegend. Er trifft uns nicht. 30 km vor Jerusalem. Es geht aufwärts, u. bereits 15 km später sieht man schon, hoch oben, Jerusalem.
Fantastisch! Der Eindruck u. die Stadt. Zentrum d. Welt. Liebste – für heute viele B. Dir + d. Kindern.

IHDSSL. D. Helmut